Das sagt die Presse

Wie ist das Preis-Leistungsverhältnis?
Gut

Rezension


In München gibt es eine schöne Vielfalt von Events, die sich um das Essen arrangieren: Alljährlich zu Beginn der Wintersaison öffnen Palazzi oder einige Zelte im Winter-Tollwood, jeweils mit vorbereiteten Gängen in einer gut inszenierten Massenverpflegung, mit dem Styling und den Namen einer Medien- und Sterneküche und selbstverständlich zu den entsprechenden Preisen. Essenstechnisch sind diese Events aus meiner Sicht nur als interessant zu bewerten, bestenfalls optisch ansprechend, selbstverständlich von der Organisation und Durchführung meist perfekt.

Wer nicht Sitzen will, kann im Liegen essen und nebenbei den Darbietungen frönen (etwa im Nektar) oder dies auch in Kombination mit einem Krimi versuchen. Es gibt also genug Möglichkeiten, sich vom Essen und der dazu gehörigen Kommunikation zu entfernen und sich ablenken zu lassen!

Diesmal was Anderes, nämlich Essen im Dunkeln! Was bei den vorgenannten Events im Überfluss vorhanden ist, nämlich optische Eindrücke, ist hier völlig anders, weil eben nichts, aber auch gar nichts zu sehen ist. Bekanntlich isst das Auge ja mit – was aber, wenn eben diese Hilfe entfällt?

Als langjähriger Esser mutete ich dieses Experiment meiner Begleitung und meinen Kids zu. Organisiert wurde dies durch Mediateam, das derartige Events in unterschiedlichen Hotels und in unterschiedlichem Umfang durchführt (www.essenimdunkeln.de). Im Maritim Hotel in der Nähe des Münchener Hauptbahnhofs wurden wir im Untergeschoß mit einem Aperitif begrüßt und zur Erklärung der Abwicklung des Essens empfangen. Eine Truppe von vielleicht 50 Personen bewegte sich dann wohl organisiert in einen absolut dunklem Raum und dann an den jeweiligen Tisch. Das Hinsetzen ist ja noch einfach, aber dann die Orientierung im unmittelbaren Umfeld: Das Glas ist ertastet, Wasserflasche auch, aber wie bringe ich das Glas einigermaßen voll?

Der Service erfolgte durch Blinde, es liefen also keine mit Nachtsichtgeräten ausgestattete Personen durch den Raum. Deren Kommunikation untereinander erfolgte durch „Finger-Schnipsen“ und leise Abstimmung. Im Umgang mit den Gästen war der Name im Vordergrund und immer ein leichter Handkontakt. Dennoch, auf dem Teppichboden kann sich der Kellner weitgehend unbemerkt annähern und wieder entfernen.

Lediglich die Tatsache eines dreigängigen Menüs war vorab bekannt, die konkreten Speisen eben nicht, weil ja auch dies ein Teil der Erfahrung war (Vegi-Vorlieben oder allergische Abneigungen sollten vorab konkret geäußert werden). Die Speisen wurden serviert und die Esser durften nach dem Gang „raten“, was sie denn gegessen hatten. Nachdem die Vorspeise bereits platziert war, musste also nur noch erkundet werden. Die Fischscheiben waren kalt, aber ich konnte nur ausschließen, was es aus meiner Sicht nicht war. Aber den geräucherten Heilbutt habe ich nicht identifiziert, leichter dagegen den Kräutersalat und ein Kinderspiel natürlich die Garnele. Dasselbe „Problem“ beim Hauptgang, ein „wildiges“ Fleisch, aber kein Reh, Hirsch oder vergleichbare eindeutigen Sorten. Letztlich war es ein Frischlingsrücken, der fein tranchiert und zart serviert worden war. Die Beilagen waren eindeutiger, Wirsing und Nussspätzle. Die Nachspeise war eine Kombination von Creme, Eis und Frucht, weniges davon von mir klar erkennbar: Erdbeercreme mit Mangoeis in der Schokohippe mit Pfirsich und Knallperlen waren dann die Lösung. Alle Speisen in einer sehr guten Qualität und in der richtigen Temperatur serviert, ein wirklich ordentliches Abendessen, selbstverständlich so zubereitet, dass es im Notfall auch nur mit der Gabel verspeist werden hätte können. Gut, manche Bissen wären groß ausgefallen…

Die Getränke sind etwas leichter identifizierbar, wenngleich auch da meine Vermutung und die Realität voneinander abwichen, aber nicht so weit, da hilft dann schon die entsprechende Erfahrung.

Nach dem Essen wird der Raum nicht langsam aufgehellt, vielmehr werden die Gäste durch die Schleuse wieder ans Licht heran geführt. Obwohl draußen etwas gedimmt wurde, war der Unterschied zur absoluten Dunkelheit gigantisch. Draußen wurde die Speisenfolge nochmals aufbereitet, und diese war auch bei Licht attraktiv.

Was hat mich dieses Erlebnis gelehrt? Zunächst ist es für mich deutlich interessanter als die sinnesüberflutenden Events! Irgendwie ist es schon eine „beklemmende“ Atmosphäre, nichts zu sehen, es gibt kein Gewöhnen an die Dunkelheit, denn es bleibt beim „Schwarz“. Wer diesen Event besucht, sollte seine Begleitung also entsprechend vorwarnen. Beruhigend ist es also umgekehrt, wenn direkt daneben jemand sitzt, mit dem man über den Körperkontakt eine Nähe hat. Phänomenal agiert der Service, der selbst blind ist, aber sehr sicher nicht nur die Teller und den Wein brachte, sondern richtig platzierte, so dass sich der Gast zurecht finden konnte. Die Stimme, die eigene und die des Kellners gewinnt hier deutlich an Gewicht. Meine Geschmacksnerven wurden durch die Dunkelheit leider nicht empfänglicher, vielmehr wurde mir wieder einmal, aber hier sehr deutlich, wie sehr meine geschmacklichen Wahrnehmungen von meinen Augen bestimmt sind.

Eine grandiose Veranstaltung zu einem vernünftigen Preis (69,00 € für Essen und Getränke) und für mich eine tolle Erfahrung.